Sonstiges

Aus
dem Leben eines Hundes:

Wie konntest Du???

Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich dich mit meinen Mätzchen und brachte
dich zum Lachen. Du nanntest mich "dein Kind" und trotz einer Anzahl von gekauten
Schuhen und einigen Sofakissen, die ich "ermordete", wurde ich dein
bester Freund.

Wann immer ich "ungezogen" war, zeigtest du mir mahnend den Zeigefinger
und sagtest: "Wie konntest Du?" - aber dann hattest du dich sofort
erweichen lassen und rolltest mich zur Seite, um meinen Bauch zu kraulen.
Meine Aufenthalte in der Wohnung wurden während deines Studiums immer länger,
aber ich riss mich zusammen. Ich erinnere mich an jene Nächte, als ich mich an dich  im Bett ganze nahe
anschmiegte und dir zuhörte, wie du im Schlaf gesprochen hattest und ich
glaubte, dass das Leben nicht vollkommener sein könnte.

Wir gingen in den Park, um dort lange spazieren zu gehen oder um herumzutollen,
wir fuhren mit dem Auto irgendwohin, kauften uns ein Eis (ich erhielt nur den
Rest der Waffel mit ein wenig Eis, weil, "zuviel Eiscreme ist für Hunde
nicht gesund", sagtest Du), und ich hielt im Sonnenstrahl, der durch die
Balkontüre ins Wohnzimmer hinein schien, ein langes Schläfchen und wartete so,
bis du von der Arbeit nach Hause kamst.

Allmählich verbrachtes du mehr Zeit auf der Arbeit als zu Hause mit mir, um
"Karriere" zu machen. Auch verbrachtest du nun sehr viel Zeit damit,
um einen "menschlichen Partner" finden zu können.

Ich wartete immer geduldig auf dich, tröstete dich bei Liebeskummer und deinen
Enttäuschungen und freute mich ebenso mit dir, als du Erfolg bei einer Frau
hattest.

Sie, jetzt ist sie deine Ehefrau, ist kein "Hundeliebhaber", aber trotzdem
begrüßte ich sie in unserem Heim, respektiere sie und zeigte ihr, dass ich sie
mag. Ich war glücklich, weil du glücklich warst!

Dann kam die Zeit, in der Babys zur Welt kamen. Ich teilte die Aufregung mit dir.
Ich war von der glatten Haut und vom angenehmen Geruch des Babys fasziniert, so
dass auch ich sie bemuttern wollte. Aber du und deine Frau dachten nur daran, dass ich den Kindern schaden und sie
verletzen könnte.

Daher musste ich die meiste Zeit nun verbannt in einem anderen Raum verbringen,
Oh, wie ich sie lieben wollte, aber es war mir vergönnt, denn ich war ein
"Gefangener der Liebe". Während sie anfingen zu wachsen, wurde ich
ihr Freund. Sie zogen an meinem Fell, griffen auf wackeligen Beinen nach mir, stießen ihre
Finger in meine Augen, forschten an meinen Ohren und gaben mir Küsse auf meine
Schnauze.

Ich liebte alles an ihnen, besonders ihre Berührungen, weil Deine so selten wurden.
Ich war soweit, dass ich die Kinder notfalls mit meinem Leben verteidigen
würde. Ich war soweit, in ihre Betten zu schleichen, um ihren Sorgen und
geheimsten Träume zuzuhören. Zusammen mit ihnen das Motorengeräusch deines
Autos zu erwarten, während du in die Einfahrt fuhrst.

Vor langer Zeit, als man dich fragte, ob du ein Haustier hättest, zogst du aus
deiner Brieftasche ein Foto von mir und erzähltest mit vollem Stolz über mich.
Die letzten Jahre antwortest du nur noch mit "Ja" und wechselst das
Thema. Ich war früher "Dein Hund" und bin heute "nur ein
Hund"!

Dann hattest Du eine neue Karrieregelegenheit in einer anderen Stadt, und du und
deine Familie zogen in eine Wohnung, in der Haustiere nicht erlaubt waren.

Du hattest für dich und deine Familie die richtige Entscheidung zu finden, obwohl
es einmal eine Zeit gab, in der "ich" deine Familie war. Mann oh
Mann, hatte die Autofahrt Spaß gemacht, bis ich bemerkte, wo wir angekommen
waren.

Es roch nach Hunden und Katzen, nach Furcht und nach Hoffnungslosigkeit. Du
fülltest Papiere aus und sagtest, dass du wissen würdest, dass man ein gutes
Heim für mich finden würde.

Die beiden Damen hinter der Theke zuckten mit den Achseln und zeigten dir einen
geschmerzten Blick. Sie verstanden die Wirklichkeit, der ein Hund mittleren
Alters gegenüberstand, ja sogar ein Hund mit "Papieren", Du hattest
die Finger deines Sohnes von meinem Halsband lösen müssen, während er weinend
schrie "Nein Papa, bitte lass mir meinen Hund nicht wegnehmen!"

Ich wunderte mich in diesem Moment nur, wie du ihm gerade Lektionen über
Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortlichkeit beibringen
konntest. Zum Abschied gabst du mir einen Klaps auf den Kopf, vermiedest dabei, mir in
meine Augen zu schauen und lehntest höflich ab, mein Halsband und meine Leine
mitzunehmen.

Du hattest einen Termin einzuhalten, nun habe ich auch einen! Kurz nachdem du
gegangen warst, sagten die zwei netten Damen, dass du vermutlich Monate voraus
vom Umzug wusstest und somit auch eine Möglichkeit vorhanden gewesen sein
musste, einen "guten Platz" für mich zu finden. Sie schüttelten ihre
Köpfe und fragten sich ... "Wie konntest Du?"

Die beiden netten Damen widmeten uns ihre ganze Aufmerksamkeit, wann immer es ihre
Zeit zuließ. Sie fütterten uns täglich und ausreichend, aber ich verlor meinen
Appetit bereits vor Tagen.

Anfangs, wann immer jemand an meinen Gehege vorbei ging, hetzte ich zur
Frontseite und hoffte, dass du es bist, dass du deine Meinung geändert hättest
und dass alles nur ein böser Traum war, oder ich hoffte, dass es zumindest
jemand sein würde, der mich mögen könnte, der mich retten würde.

Aber die Wahrheit war, dass ich es nicht mit den liebenswerten, kleinen und so
tolpatischen Welpen aufnehmen konnte. Weltvergessen in meinem eigenen Schicksal
zog ich mich in einer weichen Ecke zurück und wartete ab.

Eines Tages, es war am Nachmittag, hörte ich Schritte. Man holte mich ab, ich ging
über einen langen Korridor, bis ich an dessen Ende einen Raum betrat. Es war
ein seliger, ruhiger Raum. Die Frau platzierte mich auf einen Tisch, kraulte
meine Ohren und erklärt mir, dass ich mich nicht zu sorgen hätte. Mein Herz
schlug in voller Erwartung auf das, was da kommen sollte.

Gleichzeitig hatte ich ein Gefühl der Entlastung. Mir, dem Gefangenen der Liebe, gingen die
Tage aus. Gemäß meiner Natur war ich mehr um die nette Frau besorgt, als um
mich selbst. Ich erkannte, dass sie eine Belastung trägt, die tonnenschwer sein
musste.

Sie platzierte leicht einen Aderlass um mein Vorderbein, während eine Träne ihre
Wange hinunterkullerte. Ich leckte ihre Hand in der gleichen Art und Weise, wie
ich es bereits Jahre vorher tat, um dich zu trösten. Sie schob sachverständig
die hypodermatische Nadel in meine Vene.

Nachdem ich den Einstich und den Eintritt der kühlenden Flüssigkeit in meinen Körper
verspürte, lehnte ich mich schläfrig zurück, schaute dabei in ihre freundlichen
Augen und murmelte: "Wie konntest Du?". Möglicherweise verstand sie
meine Hundesprache, denn sie sagte, "Es tut mir leid!".

Sie umarmte mich hastig und erklärte, dass es ihr Job sei, mir einen besseren Platz
zu verschaffen, wo ich nicht ignoriert, missbraucht oder verlassen würde. Einem
Platz, an dem ich mich nicht verstecken müsse, einen Platz der Liebe und des
Lichts, der so anders sei als auf Erden.

Mit meinem letzten Bissen von Energie wedelte ich mit meinem
Schwanz und versuchte ihr so zu sagen, dass mein "Wie konntest Du?",
nicht gegen sie gerichtet war. Ich dacht an dich, mein geliebtes Herrchen. Ich
werde immer an dich denken und auf dich warten. Möge jeder dir in deinem Leben
immer diese Loyalität zeigen.